Seit Jahren stellt die Übermittlung einer Kündigung Arbeitgeber sowie deren rechtliche Berater vor Herausforderungen, soweit das Kündigungsschriftstück nicht persönlich an den Arbeitnehmer überreicht werden kann. So blieb in vielen Konstellationen nichts anderes übrig, als einen kostspieligen Boten mit der Überbringung der Kündigung zu beauftragen, der sowohl die Kenntnisnahme der Originalunterschrift unter dem Kündigungsschreiben als auch den Einwurf in den Briefkasten des Kündigungsempfängers dokumentiert.
Dieser Mehraufwand gegenüber einer postalischen Versendung der Kündigung war dem Umstand geschuldet, dass viele Instanzgerichte dem sog. Einwurf-Einschreiben als Übermittlungsweg seinen Beweiswert absprachen, wenn der Arbeitnehmer den Zugang der Kündigung bestritt. In sich abzeichnender Abkehr dieser prozessualen Bewertung hat sich zuletzt das Landesarbeitsgericht Nürnberg (LAG Nürnberg Urt. v. 15.6.2023 – 5 Sa 1/23) erneut mit der Rechtsfrage des Beweiswertes des Einwurf-Einschreibens beschäftigt.
Rechtssicherheit bei Kündigungen per Einwurf-Einschreiben
Eine Kündigung per Einwurf-Einschreiben kann rechtlich komplex sein, wenn es um den Beweiswert geht. Sichern Sie sich rechtlich ab und erfahren Sie, wie Sie Kündigungen wirksam und beweissicher zustellen können.
Der konkrete Fall
Die Parteien streiten – in dem noch nicht rechtskräftigen und nunmehr beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahren – über den Zeitpunkt des Zugangs einer Kündigung. In dem Arbeitsvertrag der klagenden angestellten Zahnärztin war eine vierteljährliche Kündigungsfrist zum Quartalsende vereinbart. Mit einem als Einwurf-Einschreiben versandten Schreiben vom 28.09.2021 kündigte die beklagte Zahnarztpraxis das zu der angestellten Zahnärztin bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum Ende des vierten Quartals. Ausweislich einer Kopie des Auslieferungsbeleges der Post wurde das Kündigungsschreiben der angestellten Zahnärztin am 30.09.2021 zugestellt. Die Zahnärztin gab jedoch an, dass ihr das Schreiben erst nach dem 30.09.2021 zugestellt worden sei, sodass das Arbeitsverhältnis demnach erst zum 31.03.2022 und nicht bereits zum 31.12.2021 beendet werden konnte.
In diesem Zusammenhang entschied das Landesarbeitsgericht Nürnberg, dass sofern ein Kündigungsschreiben als Einwurf-Einschreiben versendet wurde, der Einlieferungsbeleg und die Kopie des Auslieferungsbeleges versehen mit der Unterschrift eines Postbediensteten einen Anscheinsbeweis für den Zugang der Kündigung unter dem im Beleg genannten Datum darstellen.
Da die angestellte Zahnärztin den Zugang der Kündigung zum 30.09. nur einfach und nicht qualifiziert, sprich mit einem gewissen Grad an Details versehen, bestreiten konnte, sah das Landesarbeitsgericht das Kündigungsschreiben bereits am 30.09.2021 als zugegangen und die Kündigung damit zum 31.12.2021 als wirksam an.
Hintergrund zum Anscheinsbeweis
Der Anscheinsbeweis erleichtert die Beweiserbringung im gerichtlichen Verfahren in Fällen, in denen nach der allgemeinen Lebenserfahrung von einem bestimmten Ereignis auf bestimmte Geschehensabläufe geschlossen werden kann. Der bestimmte Geschehensablauf wird dann in den entsprechenden Fällen widerleglich vermutet.
Übertragen auf die Entscheidung des LAG Nürnberg bedeutet dies, dass bei der Postzustellung eines Einwurf-Einschreibens nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Zugang des Einwurf-Einschreibens bei dem Empfänger zu dem im Einlieferungsbeleg genannten Datum (widerleglich) vermutet wird, sofern eine Kopie des Einlieferungsbelegs und des Auslieferungsbeleges mit der Unterschrift des Postzustellers vorgelegt werden kann.
Um den Anscheinsbeweis zu widerlegen, muss der Kläger beweisen können, dass das jeweilige Schreiben nicht oder aber zu einem anderen Zeitpunkt zugegangen ist. Kann er dies nicht, gilt der Beweis für den Zugang des mit Einwurf-Einschreiben übermittelten Schriftstücks als erbracht.
Einordnung der Entscheidung vom Landesarbeitsgerichts und Ausblick
Mit der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Nürnberg wird der postalische Übermittlungsweg für schriftliche Kündigungsschreiben prozessual „sicherer“, und somit das Einwurf-Einschreiben zu einer (vorläufigen) Alternative gegenüber der Zustellung per Boten.
Zu beachten ist jedoch, dass gegen das Urteil zwischenzeitlich beim Bundesarbeitsgericht Revision (2 AZR 213/23) eingelegt wurde. Es bleibt mit Spannung abzuwarten, wie sich das höchste deutsche Arbeitsgericht zum Beweiswert des Einwurf-Einschreibens positioniert und sich hierdurch das Einwurf-Einschreiben als echte Alternative für die Übermittlung eines Kündigungsschreibens etabliert.