Übertragbarkeit und Verjährung von Urlaubsansprüchen

Im Verhältnis zwischen Praxisinhaber und angestellten Mitarbeitern stellt regelmäßig am Ende eines Jahres die Frage, wie mit nicht genommenem Urlaub umzugehen ist.

Durch die Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes ist schon seit mehreren Jahren geklärt, dass nicht genommener (gesetzlicher) Urlaub zum Ende des Urlaubsjahres nur dann verfallen kann, wenn der Arbeitgeber im Rahmen der Urlaubsgewährung seinen sog. Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist. Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im laufenden Urlaubsjahr rechtzeitig auf den bestehenden Urlaubsanspruch sowie dessen Verfalls zum Ende des Jahres im Falle des Nichtnehmens hinzuweisen hat, verbunden mit der Aufforderung, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen.

Ob hingegen nicht verfallener Urlaub nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist (drei Jahre zum Ende eines Kalenderjahres, in welchem der Anspruch entstanden ist) verjähren kann, war bisher höchstrichterlich nicht geklärt.

Dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht nun mit Grundsatzurteil vom 22. Dezember 2022 (Az. 9 AZR 266/20) gewidmet.

Mit der Entscheidung stellt das Bundesarbeitsgericht nun klar, dass der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers nicht der Verjährung unterliegt, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer gegenüber seiner Hinweis- und Aufforderungspflicht bei der Urlaubsgewährung nicht nachgekommen ist und der Arbeitnehmer somit nicht in die Lage versetzt wurde, den Urlaub tatsächlich zu nehmen Der gesetzliche Urlaub kann demnach nur verjähren, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret auf den drohenden Urlaubsverfall hingewiesen hat. Folge ist, dass nach den Maßständen des europäischen Gerichtshofes und des Bundesarbeitsgerichts nicht verfallener Urlaub auch von seit mehreren ausgeschiedenen Mitarbeitern theoretisch noch als finanzieller Abgeltungsanspruch geltend gemacht werden könnte. Dies ist insbesondere deshalb misslich, war sich doch jedenfalls bis zur Entscheidung des europäischen Gerichtshofes im Jahr 2018 kein Arbeitgeber seiner Mitwirkungsobliegenheit bewusst.

Nach nunmehr etablierter Rechtsprechung gilt es für die Zukunft, die Urlaubsgewährung rechtssicher zu gestalten und unnötige Urlaubsabgeltungsansprüche durch nicht verfallenen Urlaub zu vermeiden.

Wir helfen Ihnen dabei, Ihre Mitwirkungspflichten hinreichend umzusetzen und zeigen Ihnen, worauf es insbesondere zu achten gilt.

Rechtssicherheit bei der Verjährung von Urlaubsansprüche

Die Verjährung von Urlaubsansprüchen wirft oft komplexe Fragen auf und kann zu Konflikten führen. Erfahren Sie, wie Sie rechtssicher mit offenen Urlaubsansprüchen umgehen und klare Regelungen schaffen.

Urlaubs­übertragung ins Folgejahr

Eine Urlaubsübertragung ins Folgejahr nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn dringende persönliche oder dringende betriebliche Gründe dies rechtfertigen. Ein dringender persönlicher Grund kann dabei beispielsweise eine aufgetretene Krankheit des Mitarbeiters sein. Ein technisches oder verwaltungsmäßiges Problem im Ablauf der Praxis kann hingegen einen dringenden betrieblichen Grund darstellen und eine Urlaubsübertragung rechtfertigen.

Für den Fall, dass eine Übertragung des Urlaubes in das Folgejahr zulässig ist, muss dieser in den ersten drei Monaten, also bis zum 31. März, genommen werden.

Aufforderungs- und Hinweis­pflichten des Arbeitgebers

Nimmt der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht bis zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres oder bei einer Übertragung, bis zum 31. März des Folgejahres, so verfällt nach § 7 Abs. 3 S. 2 BUrlG der Urlaubsanspruch ersatzlos.

Dieser Grundsatz gilt nach der Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofes, welcher das Bundesarbeitsgericht folgt, nur noch eingeschränkt. Danach kann der Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern lediglich unter sehr strengen Voraussetzungen verfallen. Dafür muss der Arbeitgeber nachweisen können, dass er seinen Mitwirkungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.

Ausnahmen vom Urlaubsverfall bestehen aber weiterhin bei Arbeitnehmern in Mutterschutz oder in Elternzeit.

Anforderungen an die Aufforderungs- und Hinweis­pflicht

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer rechtzeitig, sinnvollerweise schriftlich darauf hinweisen, dass der Urlaub bis zum 31. Dezember oder bis zum Ende des Übergangszeitraums, also zum 31. März des Folgejahres, genommen werden muss und er ansonsten ersatzlos erlischt. Abstrakte Angaben – wie etwa die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes – genügen insofern gerade nicht. Beweislast für die Aufforderungs- und Hinweispflicht trägt dabei der Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer soll konkret in die Lage versetzt werden, den ihm zustehenden Urlaub tatsächlich nehmen zu können.

Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderungs- und Hinweispflicht nicht oder nicht im beschriebenen Umfang nach, tritt der noch bestehende, nicht verfallende Urlaub zu dem für das Folgejahr entstehenden Urlaubsanspruch hinzu.

Keine Verjährung bei unterlassenem Hinweis

Bis zum Urteil des Bundesarbeitsgerichtes ungeklärt war die Frage, inwiefern ein über das Kalenderjahr bzw. den Übertragungszeitraum fortbestehender Urlaubsanspruch der gesetzlichen Verjährung nach § 194 BGB unterliegt.

Zunächst entschied dazu der EuGH in seinem Urteil vom 22. September 2022, dass über den üblichen Zeitraum fortbestehende Urlaubsansprüche auch nicht innerhalb von drei Jahren verjähren, sofern der Arbeitnehmer nicht die Möglichkeit hatte seinen Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Dieser Ansicht folgte das Bundesarbeitsgericht nun. Die regelmäßige Verjährungsfrist nach § 199 BGB beginnt demnach erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer auf seinen konkreten Urlaubsanspruch hingewiesen hat, über die Verfallsfristen belehrt hat und der Arbeitnehmer den Resturlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat.

Finanzielle Abgeltung von nicht gewährten Urlaubstagen?

Besonders problematisch ist, dass vergangener offener Resturlaub aus den Vorjahren auch erst dann verfällt, wenn der Arbeitgeber auf dessen Verfall hinreichend hingewiesen hat.

Vor dem Hintergrund, dass die Aufforderungs- und Hinweispflichten erstmalig durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes in 2018 begründet wurden, ist als Arbeitgeber besondere Aufmerksamkeit geboten. Denn den Aufforderungs- und Hinweispflichten wird gleichwohl Rückwirkung für die Vergangenheit verliehen. In aller Regel wird aber kein Arbeitgeber vor dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts diese Pflichten gekannt haben und diesen auch nicht nachgekommen sein. Regelmäßig führt dies in noch laufenden Arbeitsverhältnissen dazu, dass jeglicher noch offene Resturlaub aus den Vorjahren nicht verfallen und nicht verjährt sein wird.

Dieses Problem dürfte sich vor allem bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen auswirken. Arbeitnehmer können dann Urlaubsabgeltung nach § 7 Abs. 4 BUrlG für ihre noch nicht verfallenden Urlaubsansprüche fordern, was mit erheblichen finanziellen Risiken für Arbeitgeber verbunden sein kann.

Spätestens jetzt ist zu raten, die Urlaubskonten der Vergangenheit auf nicht verfallenden Resturlaub hin zu prüfen und Arbeitnehmer auf alle offenen Urlaubsansprüche aus den zurückliegenden Jahren hinzuweisen.

Fazit

Spätestens mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes sollte ein regelmäßiger präziser Hinweis auf den verbleibenden Resturlaub zur Routine gehören für jeden Arbeitgeber gehören. Dabei muss der zu erfolgende Hinweis zumindest (i) eine Mitteilung über die Höhe des Resturlaubes im laufenden Kalenderjahr, (ii) eine Aufforderung, den Resturlaub zeitnah zu nehmen sowie (iii) einen Hinweis auf den Verfall des Resturlaubes, für den Fall, dass dieser nicht genommen wird, enthalten.

Ein Unterlassen der Aufforderungs- und Hinweispflichten kann dabei nicht zuletzt zu erheblichen finanziellen Risiken für den Arbeitgeber führen. Es ist daher zu raten, auch die Urlaubskonten der Vergangenheit auf nicht verfallenen Resturlaub hin zu prüfen.

Sofern Sie Unterstützung bei der Umsetzung Ihrer Aufforderungs- und Hinweispflichten benötigen oder Beratungsbedarf im Rahmen der Beendigung von Arbeitsverhältnissen vorhanden ist, stehen wir Ihnen hierfür selbstverständlich gerne zur Verfügung und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme.

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